Bibelkommentare

Erklärungen zur Bibel

 

Matthäus 1

Vers 1

Buch des Ursprungs Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams. Mt 1,1

Der Stammbaum im ersten Kapitel des Evangeliums nach Matthäus soll uns die ganz besondere Abstammung von Jesus, dem Sohn Josefs, vorstellen. Das Ziel des Stammbaums wird gleich im ersten Vers genannt: Er soll uns zeigen, dass Jesus der Sohn Davids und der Sohn Abrahams ist – nicht ein Sohn Davids und auch nicht ein Sohn Abrahams, sondern der Sohn Davids und der Sohn Abrahams. Das sind zwei bekannte Titel für den von den Juden lange erwarteten Messias. «Messias» bedeutet – wie auch «Christos» bzw. «Christus» – «Gesalbter». Die Juden erwarteten aufgrund der Verheissungen des Alten Testamentes nämlich nicht einen (weiteren) Gesalbten, sondern den Gesalbten, den Einen, der von Gott zugleich als König, als Priester und als Prophet gesalbt – also in dieses Amt eingesetzt – sein würde.

Dieser Messias sollte der Sohn Davids sein, das heisst jener eine Nachkomme aus der Königslinie des David, dem Gott die Herrschaft über Israel und den Rest der Welt bis ans Ende der Zeit geben würde. Dieser König sollte Israel in die Fülle des göttlichen, irdischen und materiellen Segens einführen. Wir finden eine entsprechende Ankündigung beispielsweise in 2.Sam 7,12.13:

Wenn deine Tage erfüllt sind und du dich zu deinen Vätern gelegt hast, dann werde ich deinen Nachwuchs, der aus deinem Leib kommt, nach dir aufstehen lassen und werde sein Königtum festigen. Der wird meinem Namen ein Haus bauen. Und ich werde den Thron seines Königtums festigen für ewig. 2.Sam 7,12.13

Viele andere alttestamentliche Stellen haben diesen ganz besonderen Herrscher über Israel angekündigt. Doch der Messias sollte nicht nur der Herrscher über Israel, sondern auch der Quell des Segens für alle anderen Nationen sein. Diesem Aspekt haben die (stolzen) Juden nur wenig Beachtung geschenkt, aber auch das war im Alten Testament mehrfach angekündgt gewesen. Darauf weist unter anderem auch der Titel «Sohn Abrahams» hin, denn wie dem David so hatte der HERR auch dem Abraham einen ganz besonderen Nachkommen angekündigt:

Und in deinem Samen werden sich segnen alle Nationen der Erde dafür, dass du meiner Stimme gehorcht hast. 1.Mose 22,18

«Sich segnen» bedeutet hier «gesegnet sein», wie Apg 3,25 klar macht. So zeigt uns das Evangelium nach Matthäus also bereits im allerersten Vers, worum es darin geht, nämlich um diese eine ganz besondere Person, in der sich all die Verheissungen Gottes für Sein erwähltes Volk Israel, aber auch für alle anderen Völker der Erde erfüllen sollten. Und diese Person ist Jesus Christus, wie es in 2.Kor 1,20 so schön heisst:

Denn so viele Verheissungen Gottes es gibt, in ihm ist das Ja, deshalb auch durch ihn das Amen, Gott zur Ehre durch uns. 2.Kor 1,20

Vers 2

Abraham zeugte Isaak, Isaak aber zeugte Jakob, Jakob aber zeugte Juda und seine Brüder, Mt 1,2

Abraham ist der erste Mensch gewesen, der von Gott aus den übrigen Menschen heraus berufen worden ist, um der Stammvater eines ganz besonderen Geschlechts zu werden. Der HERR hatte zwar auch mit Noah einen Neuanfang gemacht, aber Noah wurde in gewisser Weise zum Stammvater aller Menschen, weil ausser ihm und seiner Familie niemand die Sintflut überlebte. Bei Abraham war es anders: Die andern Menschen lebten weiter ihr Leben und er musste sich von ihnen absondern. So wurde er zum Stammvater aller Gläubigen (Röm 4,12) und zugleich, wie uns Mt 1,2 klar macht, auch der Stammvater der königlichen Linie des Messias. Diese Linie nahm ihren Anfang bei «den Vätern». Dieser Ausdruck, der in der Bibel oft vorkommt, bezeichnet die ersten drei Generationen: Abraham, Isaak und Jakob, der später den Beinamen Israel erhielt.

Jakob hatte zwölf Söhne, das sind die zwölf Stammväter Israels. Von diesen zwölf Stämmen konnte aber nur ein Stamm der königliche Stamm sein. Auf dem Sterbebett kündigte Jakob durch göttliche Offenbarung an, dass Juda dieser eine Stamm sein würde. In 1.Mose 49,10 heisst es:

Nicht weicht das Zepter von Juda noch der Herrscherstab zwischen seinen Füssen weg, bis dass Schilo kommt, dem gehört der Gehorsam der Völker. 1.Mose 49,10

«Schilo» heisst Ruhe oder Frieden. Das ist einer der vielen Titel des verheissenen Messias. Das Zepter ist das eindeutige Zeichen des Königs. Juda sollte also der führende Stamm in Israel sein und aus Juda sollte der Messias kommen. ER selbst sagte einmal: «Das Heil ist aus den Juden» (Joh 4,22). Deshalb heisst es in Mt 1,2 auch ganz schlicht: «Jakob zeugte Juda und seine Brüder» – die andern elf Namen interessieren hier nicht, weil die Linie über Juda verlaufen musste.

Vers 3

Juda aber zeugte Perez und Serach von der Tamar, Perez aber zeugte Hezron, Hezron aber zeugte Ram, Mt 1,3

Die Erwähnung einer Frau in einem Stammbaum der Antike ist ungewöhnlich. Von der Erwähnung einer Frau in einem königlichen Stammbaum hat man ausserhalb der Bibel in jener Zeit noch nie gehört. Wäre die Bibel ein menschliches Werk, würden wir im königlichen Geschlechtsregister des Herrn Jesus ganz gewiss keinen Frauennamen erwähnt finden. Aber die Bibel ist kein menschliches Werk, sie ist Gottes Wort (2.Tim 3,16). Was für uns sozusagen eine Entdeckung der Neuzeit ist, dass nämlich Frauen denselben Wert wie Männer haben, ist schon immer die Sicht Gottes gewesen. Die Bibel wird oft als frauenfeindlich bezeichnet, aber die Tatsache, dass es schon im Alten Testament mehrere Bücher gibt, die nach ihrer weiblichen «Hauptfigur» benannt sind (Ruth, Esther), dass es ein Buch gibt, das der Liebe zu einer Frau gewidmet ist (Lied der Lieder), dass die dichterisch schönste Passage im Buch der Sprüche (Spr 31,10ff. – ein sogenanntes Akrostichon) die Vorzüge einer gottesfürchtigen Frau in den höchsten Tönen preist und dass viele der ganz besonders bemerkenswerten Charaktere im Alten Testament Frauen gewesen sind (die Töchter von Zelophchad, die Tochter von Kaleb, die Mutter von Samuel, die Mutter von Simson, Abigail etc.), wird dabei oft stillschweigend übergangen. In Tat und Wahrheit gibt es kein Buch aus der Zeit, in der die Bibel geschrieben wurde, das Frauen auch nur annähernd einen so grossen Stellenwert einräumen, geschweige denn auch nur annähernd Frauen so positiv darstellen würde.

Aber ausgerechnet Tamar! Tamar war nicht die Ehefrau, sondern die Schwiegertochter von Juda! Ihre Ehemänner, die Söhne von Juda, waren so böse gewesen, dass Gott der HERR sie schon in jungen Jahren hatte sterben lassen, damit sie nicht noch weiteres Unheil anrichten konnten. Juda war nicht fähig, die Bosheit in der eigenen Familie zu erkennen, weshalb er dem Aberglauben zuneigte, Tamar könnte einen schlechten Einfluss ausüben. Er enthielt ihr deshalb seine weiteren Söhne vor und verunmöglichte es ihr damit, eine Ehe zu führen und Kinder zu kriegen – eine Schande für eine Frau in der damaligen Zeit! Da nahm Tamar ihr Schicksal in die eigene Hand. Sie verkleidete sich als Hure und bezirzte Juda. So wurde sie von ihm schwanger. Das war zwar eine verzweifelte, aber doch sehr verwerfenswerte Handlung: Betrug, Prostitution und Inzest in einem. Die Nachkommen aus dieser Linie hätten allen Grund gehabt, die Geschichte so gut wie möglich unter den Teppich zu kehren. Aber Gott legt schonungslos offen, mit welchen Menschen Er handelt. Da wird nichts beschönigt und nichts verschwiegen. Wieso tut Er das?

Zwei Gründe sollen hier genannt werden: Erstens zeigt Er uns damit, dass die Ehre für alles, was wahrhaft gut genannt werden kann, Ihm allein zusteht. Er teilt Seine Ehre nicht. Er ist wie ein Schütze, der nicht mit dem besten Gewehr, sondern mit einem verrosteten Karabiner zur Weltmeisterschaft antritt und gewinnt. Hätte er das beste Gewehr benutzt, hätte man den Sieg teils Seinem Können, teils aber auch Seinem Gewehr zugeschrieben. So aber ist sonnenklar, dass es Sein Können allein gewesen ist, das den Sieg gebracht hat. Gott handelt nicht mit den besten Männern und Frauen, die Er nur finden kann, sondern mit den schlechtesten (1.Kor 1,25ff.). Niemals sollen Menschen sagen können: «Schau mal, was für ein gutes Gefäss Gott hier genutzt hat!» Immer muss es heissen: «Schau mal, was Gott aus diesem Gefäss alles gemacht hat!» Der HERR hätte sich keine verwerflichere und schlechtere Familie als jene von Juda für Seine Zwecke wählen können, aber Er hat es getan und daraus letztlich das Beste hervorkommen lassen, was diese Erde je gesehen hat – den Herrn Jesus Christus! Das ist einfach nur göttlich. Zweitens zeigt uns diese offene Darstellung, dass Gott von allem Notiz nimmt. Er sieht auch in unserem Leben das Schlechte; wir können Ihm nichts vormachen. Achten wir also darauf, aufrichtig und ehrlich Ihm gegenüber zu sein!

Vers 4

Ram aber zeugte Amminadab, Amminadab aber zeugte Nachschon, Nachschon aber zeugte Salmon, Mt 1,4

Die Linie von Juda über Perez, Hezron, Ram, Amminadab, Nachschon und Salmon bis hin zu Boas, der im folgenden Vers 5 erwähnt wird, lässt sich unter anderem in 1.Chron 2,4–11 nachverfolgen. Im Alten Testament gibt es noch weitere Stellen, die es erlauben, die Zuverlässigkeit des Stammbaums in Mt 1 zu überprüfen. Weil es in unserer Kultur noch sehr lange Zeit unüblich gewesen ist, Geschlechts- oder Zivilregister zu führen, nehmen wir unwillkürlich an, das sei überall so gewesen. Wir denken, viel Biblisches sei jahrhundertelang nur mündlich überliefert worden. Und weil wir alle wissen, wie «Stille Post» funktioniert respektive was da am Ende jeweils rauskommt, begegnen wir biblischen Aussagen und Geschichten oft mit einer gewissen Skepsis. Tatsächlich ist die israelitische Kultur aber fast von Anfang an eine Schriftkultur gewesen. Das Alte Testament enthält unzählige Geschlechtsregister, die ein oberflächlicher Leser vielleicht als langweilig ansehen mag, die aber ganz oft eine entscheidende Rolle als «Beweismittel» für wichtige biblische Tatsachen spielen. Wir werden bei unserer fortlaufenden Betrachtung zu Mt 1 noch sehen, dass sich der Stammbaum des HERRN bis hin zu den Rückkehrern aus Babel lückenlos anhand der Bibel nachverfolgen lässt. Weniger bekannt ist, dass auch nach der Rückkehr ein lückenloses zentrales Zivilregister geführt wurde, das allerdings keinen Eingang in die Bibel gefunden hat. Bis zur Zerstörung des Tempels im Jahr 70 n.Chr. konnte man die Abstammung jedes Juden genau nachverfolgen (zumindest bis zur Zeit der Rückkehr aus Babel). Als der Herr Jesus öffentlich auftrat – ja, sogar viel später noch, als Matthäus sein Evangelium schrieb –, konnte jeder interessierte Jude zum Tempel gehen und anhand des zentralen Registers zuverlässig nachprüfen, ob dieser Stammbaum wirklich korrekt war. Die Juden haben alle möglichen Einwände gegen den christlichen Glauben vorgebracht, aber die Abstammung des Herrn Jesus wurde nie in Zweifel gezogen. Warum wohl? Weil der Stammbaum hieb- und stichfest belegt war. Das Wort Gottes ist absolut zuverlässig!

Vers 5

Salmon aber zeugte Boas von der Rahab, Boas aber zeugte Obed von der Rut, Obed aber zeugte Isai, Mt 1,5

Im Vers 5 werden gleich zwei Frauen erwähnt: Rahab war eine kananäische Hure, die in der (besonders) verfluchten Stadt Jericho lebte, ihre Landsleute betrog und verriet, aber zugleich die Einzige war, die (zusammen mit ihrer Familie) den Angriff Israels auf Jericho überlebte; Ruth war eine Moabiterin, das heisst die Angehörige eines von Gott besonders verfluchten Volkes. Dass Rahab nicht nur vor dem göttlichen Gericht verschont, sondern darüber hinaus in die Linie des Messias eingefügt wurde, zeigt den göttlichen Triumph über die Sünde und die unvergleichliche Fähigkeit Gottes, aus an sich komplett unbrauchbarem «Material» etwas Wunderbares zu machen, das Seine eigene Herrlichkeit widerspiegelt. Rahab war ein lebendes Beispiel für die in Röm 5,20 geäusserte Wahrheit: «Wo aber die Sünde zugenommen hat, ist die Gnade überreich geworden» (Röm 5,20). Wenn aber Gott Seine Gnade in dieser Weise an einer betrügerischen Hure aus der verfluchten Stadt Jericho erwiesen hat, kann wirklich jeder ein Gefäss der Begnadigung sein!

Die Moabiter waren ein eng mit Israel verwandtes Volk. Sie stammten von Lot, dem Neffen Abrahams ab. Als Israel nach der langen Wüstenreise durch das Gebiet der Moabiter ziehen wollte, verweigerten diese nicht nur den Durchzug, sondern stellten sich Israel ohne jeden Grund feindlich entgegen. Sie waren es, die eine Verunreinigung des Volkes Israel durch midianitischen Götzendienst in die Wege leiteten und Israel dadurch zu Fall brachten. Diese unbegründete und hinterhältige Feindseligkeit hat dazu geführt, dass Gott das Volk Moab vom Segen abgeschnitten hat. Seinem Volk Israel hat Er geboten: «Ein Ammoniter oder Moabiter darf nicht in die Versammlung des HERRN kommen; auch die zehnte Generation von ihnen darf nicht in die Versammlung des HERRN kommen, für ewig; deshalb, weil sie euch nicht mit Brot und mit Wasser entgegengekommen sind auf dem Weg, als ihr aus Ägypten zogt, und weil er Bileam, den Sohn des Beor, aus Petor in Mesopotamien, gegen dich angeheuert hat, dich zu verfluchen» (5.Mose 23,4.5).

Wie konnte Ruth, die Moabiterin, nicht nur in die Versammlung Gottes kommen, sondern darüber hinaus auch die unvergleichliche Ehre erlangen, in die Linie des Messias eingefügt zu werden? Nun, ganz einfach: Moab als Volk war verflucht, aber das bedeutet nicht, dass jeder einzelne Moabiter – ganz persönlich, individuell – ebenfalls verflucht gewesen wäre. Ein Moabiter, der das erkannte und sich unter Gottes Urteil betreffend seine natürliche Abstammung (als Moabiter) stellte, konnte Gnade finden. Als Ruth sagte: «Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott» (Ruth 1,16), da endete geistlich gesehen ihr moabitisches Leben; sie wurde zu einer Israelitin, einer Angehörigen des Volkes Gottes. Ungeachtet ihrer natürlichen Abstammung und Herkunft stand ihr als Kind Gottes nun jeder Segen offen. So ist es auch bei uns: Moab stellt unsere natürliche Abstammung als Kinder Adams (in einem besonderen Aspekt, was hier aber nicht von Bedeutung ist) dar. Wir stammen alle von einem Sünder ab und wir sind alle Sünder. Die «adamitische Rasse» kann unmöglich in die «Versammlung Gottes» kommen, denn Gott kann keine Gemeinschaft mit Sündern haben. Wer ein Mensch auch sein mag, was er in der Welt oder vor anderen Menschen auch gelten mag, bei Gott hat er gar nichts vorzuweisen als nur eine verfluchte Abstammung! Kapituliert ein Mensch aber vor Gott, übernimmt er das göttliche Urteil, macht er es zu seinem eigenen Urteil, indem er sich als einen Sünder erkennt, dann darf er eine völlig neue Natur erhalten, von Neuem geboren werden. «so viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben» (Joh 1,12); «Seht, welch eine Liebe uns der Vater gegeben hat, dass wir Kinder Gottes heissen sollen! Und wir sind es» (1.Joh 3,1). Und als Kinder Gottes steht uns jede nur erdenkliche Segnung von oben offen. Als Kinder Gottes können wir gewissermassen alles sein und haben, denn wir sind mit dem Herrn Jesus Christus einsgemacht. Seine Stellung vor dem Vater ist unsere Stellung! «Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus! Er hat uns gesegnet mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christus» (Eph 1,3). Was für eine unermessliche Gnade!

Vers 6

Isai aber zeugte David, den König, David aber zeugte Salomo von der Frau des Uria, Mt 1,6

David, der König, und Salomo sein Sohn stellen den Inbegriff einer herrlichen Königsherrschaft in Israel dar. Die Regierungszeit von Salomo war zugleich eine ganz besondere Blütezeit für Israel. Sowohl David als auch Salomo besassen ganz besondere Verheissungen von Gott selbst, weshalb sie beide ein deutlicher Typus (Sinnbild bzw. Voraus-Bild) auf den Messias sind. In Mt 1,1 haben wir ja gelesen, dass «Ben David» (Sohn Davids) einer der bekanntesten Titel des Messias gewesen ist. Der Messias musste also nicht nur zwingend von Juda, sondern ebenso zwingend von David und auch von Salomo abstammen. Nur dies konnte die königliche messianische Linie sein. Mit der Erwähnung von David und Salomo ist also gewissermassen ein erster grosser Höhepunkt im Stammbaum Jesu Christi erreicht, was auch Mt 1,17 nochmals deutlich hervorstreichen wird.

Zugleich finden wir aber ausgerechnet hier einen weiteren Tiefpunkt, wahrscheinlich sogar den tiefsten Punkt im gesamten Stammbaum, an. Hier wird nämlich eine vierte Frau erwähnt, die Mutter Salomos. Anders als bei Tamar, Rahab und Ruth nennt der Heilige Geist aber nicht ihren Namen – Bathseba –, sondern ihre Geschichte: Sie war nicht die Frau des David, sondern die Frau des Uria. Uria war einer der ganz grossen Helden in der Armee Davids (2.Sam 23,39; 1.Chron 11,41). Als er einmal zusammen mit den übrigen Treuen im Krieg kämpfte, blieb David zuhause in seinem Palast, wo er eines Tages gemütlich auf dem Dach schlenderte. Dabei fiel sein Blick auf Bathseba, die gerade badete. Er liess sie holen und brach mit ihr die Ehe. Bald darauf wurde sie schwanger. David unternahm Vieles, um die Sache zu vertuschen, aber es gelang nicht. Da liess er seine Armee ein besonders gefährliches Manöver ausführen, bei dem Uria an vorderster Front eingesetzt werden sollte. Auf diese Weise brachte er Uria «unauffällig» ums Leben. Wenn wir an Bathseba denken, müssen wir also an Ehebruch und Mord denken! Ach, wie tief kann selbst ein ausgezeichneter Mann Gottes fallen, wenn er seinen eigenen Ideen nachgeht! Die ganze Sache brachte schwere Konsequenzen über David und seine Familie. Das Kind des Ehebruchs starb kurz nach der Geburt. Aber Gott wäre nicht Gott, wenn Er nicht selbst aus einer solchen Geschichte etwas Gutes hervorbringen könnte! Bathseba wurde erneut schwanger, dieses Mal von ihrem neuen Ehemann David, und der Sohn, den sie gebar, wurde vom HERRN selbst durch den Propheten Nathan ausdrücklich als ein Jedidja, ein Vielgeliebter, bezeichnet (2.Sam 12,25)!

Der HERR kann also unbegrenzten Segen, unbegrenzte Gnade selbst da schenken, wo alles hoffnungslos düster ist. Ja, es zeichnet Ihn aus, dass Er gerade dort, wo alles verloren scheint, Sein Licht erstrahlen lässt! Aber das bedeutet nicht, dass Er den Schuldigen für schuldlos hält. David und Bathseba mussten teuer bezahlen, sehr teuer. Und wir sehen, dass es dem Heiligen Geist selbst zur Zeit, als Matthäus sein Evangelium verfasste, noch widerstrebte, Bathseba beim Namen zu nennen. Obwohl sie nach der ganzen Sache von David geheiratet worden war, hat Er sie in Mt 1,6 weiterhin die Frau des Uria genannt, um zu zeigen, wie sehr Ihm das alles zuwider gewesen ist. Spielen wir nicht mit der Gnade Gottes!

Vers 7

Salomo aber zeugte Rehabeam, Rehabeam aber zeugte Abija, Abija aber zeugte Asa, Mt 1,7

Wir finden hier in Mt 1,7 lediglich vier Namen, aber das Alte Testament enthält zu jedem dieser Namen eine ausführliche Geschichte, die für den geübten Bibelleser beim Studium des Stammbaumes des Herrn Jesus natürlich mitschwingt. Ab Salomo begann die «zweite Phase» gemäss der Einteilung von Mt 1,17, die Phase des Niedergangs. Wie erwähnt, blühte Israel zwar unter der Herrschaft Salomos auf, aber der König selbst kam im Laufe seiner Regierungszeit auf fürchterliche Weise vom geraden Weg ab. Er ignorierte die Vorschriften für den König nach 5.Mose 17,14ff. und endete schliesslich als einer, der sich vor fremden Götzen niederbeugte, um diese anzubeten. Das Buch Prediger lässt zwar die Hoffnung auf eine Busse und Wiederherstellung Salomos aufkeimen, aber die Regierungszeit endete gemäss den Berichten in den Büchern Könige und Chronika denkbar schlecht.

Eine der Konsequenzen der Sünden Salomos war die Reichsteilung: Sein Sohn Rehabeam konnte die zwölf Stämme Israels nicht länger unter seiner Herrschaft vereinigt halten. Die nördlichen zehn Stämme spalteten sich ab; Rehabeam verblieben lediglich die Stämme Juda und Benjamin. In seiner Regierungszeit unternahm er nichts, um den in Juda aufkommenden Götzendienst zu unterdrücken. Das Teilreich Juda bewahrte zwar einen äusserlichen Anstrich von Frömmigkeit, aber die Herzen der Menschen entfernten sich rasch von Gott, während der König gegenüber dieser Entwicklung grösstenteils gleichgültig blieb. Sein Sohn Abija machte es nicht besser, auch wenn der HERR diesem in einem besonderen Moment einen erstaunlichen Sieg über das Nordreich schenkte (vgl. 2.Chron 13).

Erst mit Asa kam eine Wende: «Und Asa tat, was gut und recht war in den Augen des HERRN, seines Gottes. Und er beseitigte die fremden Altäre und die Höhen und zerschlug die Gedenksteine und hieb die Ascherim um. Und er sagte zu Juda, dass sie den HERRN, den Gott ihrer Väter, suchen und das Gesetz und das Gebot tun sollten. Und er beseitigte aus allen Städten Judas die Höhen und die Räucheraltäre. Und das Königreich hatte Ruhe unter ihm» (2.Chron 14,1–4). Doch auch das war leider nicht von Dauer, denn auf eine Bedrohung vonseiten des Nordreichs hin suchte Asa nicht (erneut) Zuflucht beim Herrn, sondern beim König von Aram, das ist Syrien. Der HERR liess Asa durch einen Propheten tadeln, doch Asa verhärtete sein Herz, liess den Propheten ins Gefängnis werfen und tat einigen aus dem Volk Gewalt an (vgl. 2.Chron 16). Da schlug der HERR ihn mit einer Krankheit an den Füssen, die einen schweren Verlauf nahm (2.Chron 16,12). Das war gewissermassen der letzte Aufruf des HERRN an Asa, Busse zu tun. Doch Asa, dessen Name «Helfer, Retter, Arzt» bedeutet, demütigte sich nicht, suchte nicht die Hilfe des HERRN, sondern wandte sich an menschliche Ärzte, die ja doch nichts ausrichten konnten, da die Krankheit eine Züchtigung vonseiten des HERRN war.

Vers 8

Asa aber zeugte Joschafat, Joschafat aber zeugte Joram, Joram aber zeugte Usija, Mt 1,8

Die weitere Abfolge von Namen in Mt 1,8 zeichnet sich nicht nur durch jene Namen aus, die ausdrücklich erwähnt werden, sondern auch durch drei Namen, die nicht erwähnt werden. Joschaphat war grundsätzlich ein guter, treuer König, aber er liess sich leider mit dem Haus Ahab ein, dem bösesten von allen bösen Königshäusern, die das Nordreich Israel in seiner Geschichte gesehen hat. Man erkennt die enge Bindung nur schon an den Namen, die die Könige im Südreich Juda von jenen im Nordreich übernommen haben. Im Nordreich folgten auf Ahab Ahasja und Joram, im Südreich kamen nach Joschaphat Joram und Ahasja. Durch diesen bösen Einfluss erlebte auch das Südreich Juda einen geistlichen Niedergang. «Irrt euch nicht: Schlechter Umgang verdirbt gute Sitten» (1.Kor 15,33).

Wenn wir nun einen Blick zurück nach Mt 1,8 werfen, fällt uns auf, dass Ahasja gar nicht erwähnt wird. Auch sein Sohn Joas und sein Enkel Amazja fehlen in der Aufzählung von Mt 1,8. Der nach Joram genannte Ussija ist Asarja (die Könige waren teilweise unter zwei Namen bekannt), also der Ur-Urenkel von Joram. Drei Generationen fehlen. Das ist sehr ernst. Wir haben bereits festgestellt, dass sich unter den in Mt 1 erwähnten Personen nicht nur fromme Waisenknaben, sondern teilweise Männer und Frauen befinden, die so einiges auf dem Kerbholz hatten. Wenn Sich der Heilige Geist nicht schämt, diese Namen zu nennen, wie viel schlimmer muss es dann um jene Männer gestanden haben, die Er nicht erwähnen will? Den Grund für dieses Übergehen finden wir nicht in erster Linie in besonders bösen Taten, die diese Männer begangen hätten, sondern im durchwegs bösen und verdorbenen Herzen, das sie gehabt haben. Man mag nun einwenden, dass sowohl Joas als auch Amazja am Anfang ihrer Regierungszeit durchaus viel Gutes getan und ausdrückliches Lob von Gott empfangen haben (2.Chron 24 und 25), aber nicht der Anfang des Lebenslaufs, sondern das Ende macht klar, wie ein Mensch beschaffen gewesen ist. Joas war nur solange treu, als der Priester Jojada, der ihm zum Thron verholfen hatte, ihn beriet. Kaum war dieser gute Einfluss weg, veränderte sich Joas sehr zum Bösen. Seine Bosheit war am Ende so gross, dass er sogar den Sohn seines Wohltäters Jojada umbringen liess! Amazja begann ebenfalls gut, wurde nach einem Erfolg, den der HERR ihm geschenkt hatte, aber sehr überheblich und verfiel dem Götzendienst.

Die Geschichte von Ussija gleicht bis zu einem gewissen Grad jener von Amazja, aber doch hat es dem Heiligen Geist gefallen, ihn in Mt 1,8 zu erwähnen und den Namen seines Vaters zu übergehen. Wir können die Gründe nur ein wenig erahnen, aber völlig begreifen können wir es nicht. «Denn der Mensch sieht auf das, was vor Augen ist, aber der HERR sieht auf das Herz» (1.Sam 16,7). Wir können Menschen nur anhand dessen beurteilen, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen können, also insbesondere anhand ihrer Taten. Zwei Menschen mögen sich ganz ähnlich verhalten, aber ihre Herzen können doch sehr unterschiedlich sein. Gott beurteilt alles, auch die innersten Motive. Wir dürfen absolut sicher sein, dass es sehr gute Gründe gegeben hat, die erwähnten drei Männer nicht zu erwähnen, die andern dagegen schon.

Vers 9

Usija aber zeugte Jotam, Jotam aber zeugte Ahas, Ahas aber zeugte Hiskia, Mt 1,9

Ussija respektive Asarja, der seine Regierungszeit gut begonnen, aber schlecht beendet hatte, zeugte Jotam, einen König, den man als halbherzig bezeichnen kann. Der Heilige Geist hat in 2.Chron 27 durchaus anerkennende Worte für Jotam gefunden: «Er tat, was recht war in den Augen des HERRN» (2.Chron 27,2); «er richtete seine Wege vor dem Angesicht des HERRN, seines Gottes, aus» (2.Chron 27,6). Er baute viel und hatte Gelingen in seinen Vorhaben, aber sein Herz schlug nicht ungeteilt für den HERRN, den Gott seiner Väter: «Nur ging er nicht in den Tempel des HERRN» (2.Chron 27,2). Offenbar hatte er zwar keine Probleme damit, sein Leben in grundsätzlicher Hinsicht an den göttlichen Vorgaben auszurichten, aber es war ihm aus nicht genannten Gründen zuwider, dem HERRN zu nahe zu kommen, Ihn aufzusuchen. Ob er wohl etwas von der unermesslichen Heiligkeit Gottes fühlte, in der er nicht hätte bestehen können? Seine Halbherzigkeit gab dem Volk jedenfalls Spielraum, weiter in den eigenen bösen Wegen zu wandeln: «Das Volk handelte noch verderblich» (2.Chron 27,2).

Wir neigen immer wieder dazu, Sünde zu verharmlosen und nicht entschieden genug zu richten. Wir nehmen es hier nicht so eng und wir lassen die Zügel dort etwas schleifen … Aber tolerierte Sünde wird im Stillen wuchern. Die Bibel ist voller Beispiele von Eltern, die es mit der Sünde nicht allzu eng genommen haben, obwohl sie grundsätzlich ein Herz für den HERRN gehabt haben, und von Kindern, die sich dann durch eine ausgesprochene Bosheit hervorgetan haben. Das soll uns zeigen, dass geduldete Sünde zu ausgewachsener Bosheit führt. Auch Jotam und Ahas sind ein Beispiel für dieses Prinzip, denn folgte Jotam dem HERRN wenigstens noch halbherzig nach, so war Ahas gottlos und böse. Er war ein ausgeprägter Götzendiener, «und er war es, der im Tal Ben-Hinnom Rauchopfer darbrachte, und er verbrannte seine Söhne im Feuer nach den Gräueln der Nationen, die der HERR vor den Söhnen Israel vertrieben hatte» (2.Chron 28,3). Er war der Hauptgrund dafür, dass der HERR Juda in die Hände von Aram (Syrien) und in die Hände des Nordreichs Israel gab, sodass es den Israeliten unter anderem möglich war, an einem Tag 120.000 Juden zu töten (2.Chron 28,6). Diese grosse Bedrängnis führte aber nicht etwa dazu, dass Ahas sich verzweifelt an den Gott seiner Väter gewendet hätte. Nein, im Gegenteil! Er zerschlug die Geräte im Tempel des HERRN, rückte den kupfernen Brandopferaltar weg von dessen Stelle und errichtete an seiner Statt eine Nachbildung eines Götzenaltars, den er in Damaskus gesehen hatte (2.Kön 16,10–16). Juda war an einem Tiefpunkt angelangt.

Aber Gott sei Dank! Auf Ahas folgte Hiskija, ein Mann, der den HERRN von Herzen liebte! Unter Hiskija kam es zu einer grossen Erweckung in Juda. Man müsste ein ganzes Buch über diesen treuen Mann schreiben, aber wenige Worte sollen hier genügen: Hiskija schaffte den Götzendienst in Juda ab, richtete den wahren Gottesdienst wieder ein, feierte unter anderem ein gewaltiges Passah für den HERRN und rettete zusammen mit dem Propheten Jesaja auf seinen Knien ganz Jerusalem aus der Hand der Assyrer. Ja, dem Heiligen Geist hat es so sehr gefallen, von Hiskijas Treue und von der wundersamen Befreiung Jerusalems zu berichten, dass wir den Bericht gleich dreimal in der Bibel vorfinden, was als sehr aussergewöhnlich bezeichnet werden muss. Auf die Gebete von Hiskija und Jesaja hin hat nämlich der Engel des HERRN, der nichts anderes als die alttestamentliche, «vor-menschliche» Erscheinungsform des Herrn Jesus ist, in einer Nacht 185.000 assyrische Soldaten getötet, sodass das assyrische Heer unverrichteter Dinge abziehen und Jerusalem in Ruhe lassen musste (2.Kön 19; 2.Chron 32; Jes 37). Leider ist es oft so, dass auch wir in unserem Leben an einen Tiefpunkt gelangen müssen, bis wir endlich zum HERRN schreien und dann Sein wunderbares Eingreifen erleben können. Geht es uns gut, gehen wir in der eigenen Kraft und nach eigenem Gutdünken voran, was uns immer in die Irre führen wird. Erst wenn wir unsere Torheit einsehen müssen, weil wir ins Elend geraten sind, rufen wir den HERRN an. Doch gelobt sei Sein herrlicher Name! Selbst wenn wir noch so selbstverschuldet in die Misere geraten sind, wird Er einen verzweifelten Ruf immer erhören und Gnade erweisen. Nicht immer werden wir so aus unseren Umständen errettet werden, wie es bei Hiskija und Jerusalem der Fall gewesen ist, aber Er wird uns jedenfalls nie untergehen lassen. Darauf dürfen wir vertrauen.

Vers 10

Hiskia aber zeugte Manasse, Manasse aber zeugte Amon, Amon aber zeugte Josia, Mt 1,10

Die Generationenfolge nähert sich bereits dem Ende des zweiten Abschnittes nach Mt 1,17 – der Wegführung der Juden nach Babel. Wie bereits in den Ausführungen zu Mt 1,9 erwähnt kam es unter Hiskia zu einer Erweckung in Juda. Noch während der Belagerung durch die Assyrer, spätestens aber unmittelbar nach dem gewaltigen Eingreifen des HERRN wurde Hiskia unerwartet krank. Gott liess ihm ausrichten, dass es eine Krankheit zum Tode sei und dass er nun sterben müsse. Hiskia war noch jung, nicht einmal 40 Jahre alt. Er konnte den Weg Gottes nicht akzeptieren. Hätte er sich dem Willen Gottes auch in dieser Sache gefügt (was für uns so leicht zu sagen ist, weil es ja nicht uns selbst betrifft), wäre er wohl als der beste aller jüdischen Könige in die Ewigkeit eingegangen. Aber er flehte um weitere Jahre hier auf der Erde. Diese wurden ihm gewährt. In den zusätzlich geschenkten 15 Jahren beging er einen grossen Fehler in Bezug auf Babel. Er zeigte einer schmeichelnden babylonischen Gesandtschaft alle Schätze in seinem und im Haus des HERRN. Wenige Jahre später sollten sich die Babylonier das alles unter den Nagel reissen. Zudem zeugte Hiskia in diesen 15 Jahren seinen Sohn Manasse, der die Herrschaft später übernahm. Manasse war ein durch und durch gottloser und böser Mann. Er regierte sage und schreibe 52 Jahre lang. In dieser Zeit machte er alles kaputt, was sein Vater Hiskia wiederhergestellt hatte.

Normalerweise herrschten böse Könige nur kurz und gottesfürchtige Könige herrschten lange. Manasse ist die grosse Ausnahme. Seine Rekordregierungszeit steht im krassen Widerspruch zu seiner ausgeprägten Gottlosigkeit. Aber der HERR wusste, dass Manasse diese lange Zeit und eine Bedrängnis am Ende jener Jahre benötigte, um sich letztlich doch noch zu bekehren, was dann auch tatsächlich geschah. Es ist kaum zu glauben, aber dieser durch und durch gottlose Mann kam ganz am Ende seines Lebens doch noch zum Glauben! Diese Geschichte zeigt uns, dass ein Mensch nicht zu verdorben für die Rettung sein kann. Gott vermag auch den gottlosesten Menschen völlig zu erretten. Gepriesen sei Sein Name!

Amon, der Sohn von Manasse, war leider geprägt von jener Bosheit, die den wesentlichen Teil des Lebens von Manasse geprägt hatte. Bei ihm gab es offensichtlich keine Aussicht auf Heilung, denn schon nach einer kurzen Regierungszeit von zwei Jahren musste er sterben. Auf den Thron folgte Josia. Dieser Josia war der letzte gottesfürchtige König über Juda. Er kam schon in seiner Jugend zum lebendigen Glauben an Gott und unternahm später, nachdem man ein Original der fünf Bücher Mose gefunden hatte, alles in seiner Macht Stehende, um das Volk von seiner Bosheit abzubringen und neu dem HERRN zu weihen. Äusserlich betrachtet kam es unter der Herrschaft von Josia nochmals zu einer Erweckung, aber die Herzen der allermeisten Juden blieben kalt. Das hatte die Prophetin Hulda, die man nach dem Auffinden der fünf Bücher Mose befragt hatte, bereits angekündigt. Josia starb unerwartet bei einer unnötigen Auseinandersetzung mit dem Pharao, was allerdings bedeutete, dass er das festbeschlossene Unglück über Juda nicht mehr miterleben musste.

Vers 11

Josia aber zeugte Jojachin und seine Brüder um die Zeit der Wegführung nach Babylon. Mt 1,11

Mit Josia ging die königliche Linie von David bis zum Messias zu Ende. Zwar gab es noch Nachkommen von Josia, die (kurz) auf dem Thron sassen, aber auch hier fallen wieder Weglassungen im Stammbaum auf: Zuerst wurde Joahas, der Sohn Josias, König über Juda. Er regierte aber nur drei Monate, dann wurde er vom Pharao abgesetzt (2.Kön 23,31–33). Das Königreich Juda war nicht mehr komplett unabhängig; fremde Herrscher begannen, nach ihrem Gutdünken mit Juda zu handeln. Der Pharao machte Eljakim, auch Jojakim genannt, zum neuen König, das war ein anderer Sohn von Josia, der aber in Mt 1 ebenfalls nicht erwähnt wird (2.Kön 23,34.36). In seiner Regierungszeit begann sich der Einfluss von Babel über Juda zu verstärken (2.Kön 24,1). Nach ihm folgte sein Sohn Jojachin auf den Thron, der auch Jekonia oder Konia genannt wurde.

Jojachin war der letzte echte König über Juda. Doch er war gottlos und böse, weshalb der HERR es zuliess, dass Nebukadnezar, der König von Babel, Jerusalem eroberte und viele Wertsachen sowie führende Leute aus Juda gefangen nach Babel wegführte (vgl. 2.Kön 24). Damals wurde unter anderem der Prophet Hesekiel in die Gefangenschaft nach Babel geführt. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Nebukadnezar – damals noch nicht König, sondern General in Babel – schon unter der Herrschaft von Jojakim Juden gefangen nach Babel weggeführt hatte, unter anderem den Propheten Daniel, aber das war noch ein verhältnismässig milder Eingriff in die Souveränität Judas gewesen. Bei der vor uns liegenden Wegführung wurde Jojachin als König abgesetzt. Nebukadnezar setzte seinen Onkel Zedekia, der nicht aus der eigentlichen Königslinie, sondern aus einem Seitenast stammte, zum König ein. Gott anerkannte diesen König nicht mehr als König über Juda. Zedekia brach seinen Treueschwur, den er dem König Nebukadnezar feierlich abgelegt hatte, wenige Jahre später, was letztlich die Zerstörung von Jerusalem, die Zerstörung des Tempels und die Wegführung der allermeisten Juden in die Gefangenschaft nach Babel zur Folge hatte, was hier in Mt 1,11 mit so wenigen Worten zusammengefasst wird.

Dem Jojachin liess der HERR durch Jeremia schwören, dass niemals ein Same von ihm auf dem Königsthron von Juda sitzen werde (Jer 22,28ff.). Die messianische Linie ging zwar über seine Nachkommen weiter, wie wir in den folgenden Versen Mt 1,12ff. sehen werden, aber seine Nachkommen waren bestenfalls bloss noch Statthalter über ein besetztes Gebiet Judäa und nicht mehr Könige über ein unabhängiges Juda. Allerdings stellt sich die Frage, wie denn der Messias von Jojachin abstammen, ein biologischer Nachkomme (Same) von David und zugleich kein biologischer Nachkomme von Jojachin sein kann. Das erscheint uns als unmöglich, aber für Gott ist das nur ein weiterer Anlass, Seine Weisheit unter Beweis zu stellen: Die biologische Linie von Jojachin ging bis auf Josef, den Mann Marias. Josef war aber nicht der leibliche Vater des Herrn Jesus Christus, also war der Herr Jesus kein biologischer Nachkomme (Same) von Jojachin. Dennoch stand Ihm von Rechts wegen der Thron zu, da Josef ihn als seinen Sohn «adoptiert» hatte. Dadurch hatte Er die vollen rechtlichen Ansprüche eines Sohnes Josefs erhalten. So weit, so gut. Aber dann war Er ja auch kein biologischer Nachkomme von David? Doch! In Lk3,23ff. finden wir einen zweiten Stammbaum des Herrn Jesus Christus, der zwar auch über David verläuft, aber nicht über Salomo, sondern über Nathan, das heisst über eine völlig andere Linie. Wie kann das sein? Nun, jeder Mensch hat zwei Stammbäume, einen väterlichen und einen mütterlichen. Der Stammbaum in Mt 1 ist ganz offensichtlich der väterliche Stammbaum. Also muss jener in Lk 3 der mütterliche Stammbaum sein. Tatsächlich zeigt sich das beim genauen Lesen, denn obwohl nicht Maria, sondern Josef erwähnt wird, heisst es in Lk 3,23ff. ganz klar, dass der Mensch Jesus Christus – biologisch – ein Sohn des Eli, des Mattat etc. gewesen ist, was bedeutet, dass Eli der Vater von Maria gewesen sein muss, denn biologisch war der Mensch Jesus Christus ein Sohn von Maria und damit auch von Eli, von Mattat etc. In einer ganz genauen Übersetzung, wozu die revidierte Elberfelder Übersetzung leider nicht gehört, aus der hier üblicherweise zitiert wird, wird die entscheidende sprachliche Feinheit klargemacht. In der überarbeiteten Elberfelder Übersetzung, Edition CSV Hückeswagen, heisst es in Lk 3,23: «Und er, Jesus, begann seinen Dienst, ungefähr dreissig Jahre alt, und war, wie man meinte, ein Sohn Josephs, des Eli, …» Im Griechischen ist es noch klarer: Jesus war des Eli, des Mattat etc., aber nicht des Joseph, sondern man meinte, Er sei ein Sohn Josephs. Man muss das folglich als einen Einschub lesen: «Jesus begann seinen Dienst, ungefähr dreissig Jahre alt, und war (wie man meinte, ein Sohn Josephs) des Eli, des Mattat etc. Damit sind alle Voraussetzungen erfüllt gewesen: Jesus Christus war ein biologischer Nachkomme von David, ein rechtmässiger Nachkomme aus der Königslinie über Salomo, Jojachin etc., aber kein biologischer Nachkomme von Jojachin. Man kann über die Weisheit Gottes nur staunen!

Vers 12

Nach der Wegführung nach Babylon aber zeugte Jojachin Schealtiël, Schealtiël aber zeugte Serubbabel, Mt 1,12

Jojachin (= Jekonia, Konia) wurde zwar vom HERRN in einer besonderen Weise verworfen, wie wir gesehen haben, aber anders als sein Vater Jojakim starb er nicht unmittelbar bei der Gefangennahme bzw. Wegführung nach Babel. Nebukadnezar erwies ihm eine nicht geringe Gnade, sodass Jojachin in Babel ein recht ruhiges Leben in Wohlstand führen konnte (2.Kön 25,29; Jer 52,33). Er konnte in jener Zeit noch Söhne zeugen. Aus 1.Chron 3,17.18 geht hervor, dass Schealtiel nicht der direkte Sohn, sondern der Enkel von Jojachin gewesen sein dürfte; sein Vater Assir wird in Mt 1,12 aus unbekannten Gründen übergangen. Der Stammbaum in 1.Chron 3 endet jedenfalls bei Serubbabel. Von ihm wissen wir, dass er ein Fürst in Juda, der Anführer der Rückkehrer und der Statthalter von Jerusalem gewesen ist, der vom HERRN in besonderer Weise dazu benutzt wurde, den Tempel in Jerusalem wieder aufzubauen, wovon die Bücher Esra, Haggai und Sacharja zeugen. Aber dann verliert sich die Linie im Alten Testament. Es ist bezeichnend, dass das Buch Chronika (im Original ein Buch) das letzte Buch der jüdischen Bibel ist und dass wir in diesem letzten Buch nur einen Bruchteil der messianischen Linie finden. Hätten die Juden den Herrn Jesus als ihren Messias angenommen, hätten sie das Matthäus-Evangelium als das nächste Buch in ihre Bibel einfügen können. So wäre der unvollständige Stammbaum vervollständigt worden, denn Mt 1,13ff. zeigt uns, wie diese Linie weiter verlaufen ist und wie es dazu gekommen ist, dass sie beim Messias Jesus geendet hat.

Vers 13

Serubbabel aber zeugte Abihud, Abihud aber zeugte Eljakim, Eljakim aber zeugte Asor, Mt 1,13

In Israel sind Geschlechtsregister schon vor alters von grosser Bedeutung gewesen. Wie viele Geschlechtsregister und Stammbäume finden wir nur im Alten Testament! Man darf mit Fug und Recht davon ausgehen, dass solche Geschlechtsregister schon früh zentral gesammelt und archiviert worden sind, ganz ähnlich wie unsere heutigen Zivilstandsregister. Darauf weist das Buch Esra hin: Als einige der Juden nach der Gefangenschaft in Babel zurück nach Jerusalem kamen, hatten sie teilweise ein Problem, das offenbar früher noch nie aufgetreten war. Sie konnten nämlich ihre Abstammung nicht mehr lückenlos nachweisen (vgl. Esra 2,62). Das Alte Testament enthält keinen Hinweis darauf, dass ein solches Problem einmal zu einer anderen Zeit aufgetreten wäre. Da man, wie im Kommentar zu Mt 1,4 erwähnt, weiss, dass die Juden ein zentrales Register im Tempel hatten, das im Jahr 70 n.Chr. zerstört worden ist, kann man davon ausgehen, dass es ein solches zentrales Register bereits zur Zeit des ersten Tempels gegeben hatte, sodass der Nachweis der Abstammung für einen Israeliten nie ein Problem sein konnte. Bei der Zerstörung des ersten Tempels hat dieses Register nicht komplett gerettet werden können, was dann zu den erwähnten Problemen nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft geführt hat. Nach dem Aufbau des zweiten Tempels wurde wieder ein zentrales Register geführt. In jenem Register konnte man die Linie von David über Salomo, Jekonia und Serubbabel weiter verfolgen. Matthäus hat also nicht etwas Neues erfunden, sondern sich auf verlässliche, überprüfbare Angaben gestützt (er hat sein Evangelium vor dem Jahr 70 n.Chr. verfasst).

Aus menschlicher Sicht müssen wir daher sagen: Das damals noch existente, seriös geführte zentrale Geschlechtsregister beweist die Korrektheit des Stammbaums in Mt 1,1ff. Aus geistlicher Sicht ist aber genau das Gegenteil wahr: Der in Mt 1,1ff. enthaltene, vom Heiligen Geist inspirierte Stammbaum belegt die Korrektheit des im damals noch vorhandenen Geschlechtsregister enthaltenen Stammbaums der Nachkommen von Serubbabel! Wir dürfen uns nicht dazu verleiten lassen, wie die (gottlose) Welt zu argumentieren, die jedes Wort der Bibel mit Argwohn beäugt und sich nur zufrieden geben kann, wenn ausserbiblische Belege die Korrektheit von biblischen Aussagen bestätigen. Nein, die Bibel ist das Wort Gottes, absolut zuverlässig und wahrer als alles andere. Sie muss das Fundament sein, auf dem wir bauen. Wir benötigen keinen einzigen ausserbiblischen Beleg, der uns von der Wahrheit auch nur eines Buchstabens der Heiligen Schrift überzeugen müsste.

Vers 14

Asor aber zeugte Zadok, Zadok aber zeugte Achim, Achim aber zeugte Eliud, Mt 1,14

Wenn uns auch der Stammbaum unseren Herrn Jesus Christus bereits viel Anlass gegeben hat, über verschiedene Dinge nachzudenken und wichtige Ereignisse, die im Alten Testament beschrieben werden, in Erinnerung zu rufen, so müssen wir doch auch die einzigartige Handschrift Gottes bewundern, die sich (im Gegensatz zu uns) nicht bei Details aufhält. Die Kirchengeschichte zeigt, dass man immer wieder über die Familiengeschichte des Herrn Jesus nachgedacht und dabei zahlreiche Legenden erfunden hat. So existieren beispielsweise apokryphe Schriften (apokryph = verborgen, dunkel; nicht zum Kanon der Bibel gehörende Schriften), die sich mit den angeblichen Eltern von Maria befassen. Das Wort Gottes dagegen enthält kein Strichlein zu viel. Zielgerichtet werden die entscheidenden Namen in ihrer Abfolge genannt, über die die Linie von David bis auf den Herrn Jesus verläuft. Es geht eben nicht um Hinz und Kunz, sondern um die unvergleichliche Person unseres Herrn Jesus Christus!

Vers 15

Eliud aber zeugte Eleasar, Eleasar aber zeugte Mattan, Mattan aber zeugte Jakob, Mt 1,15

Die königliche Linie, die von David über Salomo verlief, endete bei Jakob und dessen Sohn Josef, wie aus Mt 1,15.16 hervorgeht. Josef war ein einfacher Zimmermann (Mt 13,55) und ein armer noch dazu (vgl. Lk 2,24 mit 3.Mose 12,7.8). So weit war es mit der Königslinie gekommen! Aber der HERR greift gerne dann ein, wenn die menschlichen Mittel ausgeschöpft sind und die Lage hoffnungslos scheint. Der Messias war nicht der direkte Sohn von David, Salomo, Hiskia, Josia oder Serubbabel, sondern Er kam in der Fülle der Zeit (Gal 4,4), als die königliche Linie wie nichts mehr war.

Man sollte sich zumindest die drei letzten Namen Mattan, Jakob und Josef im Hinterkopf behalten. Das hilft, eine Verwirrung vorzubeugen, die beim Studium von Lk 3 auftreten könnte, wo wir einen weiteren Stammbaum des Herrn Jesus finden, wo die Linie aber nicht über Salomo, sondern über Nathan, einen anderen Sohn Davids, verläuft und ganz woanders endet, wo allerdings als letzter (bzw. dort: als erster) Name Josef auftaucht. Wie bereits im Kommentar zu Mt 1,11 ausgeführt, wird uns dort Josef nicht als ein leiblicher Vorfahre des Herrn Jesus vorgestellt, als gehörte er in jene Linie, sondern gewissermassen als der Adoptivvater, von dem man meinte, er sei der leibliche Vater. Die letzten (bzw. dort: ersten) Namen machen das klar, denn sie lauten nicht Mattan, Jakob und Josef, sondern Eli, Mattat und Levi (Lk 3,23.24). Wenn man dann noch berücksichtigt, dass die Linie über Nathan und nicht über Salomo verläuft (Lk 3,31), ist klar, dass es eine ganz andere Linie sein muss, auch wenn darin «zufällig» ein Serubbabel als Sohn eines Schealtiel auftaucht, wie es auch in der königlichen Linie der Fall ist (vgl. Lk 3,27 mit Mt 1,12).

Vers 16

Jakob aber zeugte Josef, den Mann Marias, von welcher Jesus geboren wurde, der Christus genannt wird. Mt 1,16

Die Präzision der Bibel ist schon sehr beeindruckend: Vers für Vers wird uns in Mt 1 erklärt, wer wen gezeugt hat und wer damit biologisch der Vorfahre von wem gewesen ist, aber wenn es um den Herrn Jesus Christus geht, der biologisch keinen menschlichen Vater hat, dann wechselt die Ausdrucksweise plötzlich: Jakob zeugte Joseph, aber Joseph zeugte nicht den Herrn Jesus, sondern er war der Mann von Maria, von der Jesus geboren wurde. Der Herr Jesus hat sich oft als den Sohn des Menschen bezeichnet. Das ist nicht nur ein bekannter Titel für den Messias, den verheissenen Erlöser gewesen (griechisch: Christos; lateinisch Christus), und zwar in Anlehnung an Dan 7,13.14, sondern auch eine Andeutung auf Seine göttliche Natur. Wir sind nämlich alle Söhne oder Töchter der Menschen, weil jeder von uns von zwei Menschen abstammt. Der Herr Jesus ist aber der Sohn des Menschen, weil Er als Mensch nur eine Mutter, aber keinen (menschlichen) Vater gehabt hat.

Vers 17

So sind nun alle Geschlechter von Abraham bis auf David vierzehn Geschlechter und von David bis zur Wegführung nach Babylon vierzehn Geschlechter und von der Wegführung nach Babylon bis auf den Christus vierzehn Geschlechter. Mt 1,17

Gott selbst unterteilt den Stammbaum unseres Herrn Jesus Christus in drei Abschnitte, nämlich in die Zeit von Abraham bis auf David, in die Zeit von David bis zur Wegführung nach Babel und in die Zeit von der Wegführung nach Babel bis auf den Christus. Damit gliedert Er auch die Geschichte Seines Volkes Israel in drei grosse Phasen: Die erste Phase begann mit den grossen Verheissungen, die Er Seinem Knecht Abraham gegeben hat, als Er von einem Sohn und dessen Nachkommen gesprochen hat, die zahlreich wie der Sand des Meeres sein und das ganze Land Kanaan besitzen würden (vgl. 1.Mose 15). Als David viele Jahrhunderte später den Thron bestieg, hatte das Volk erstmals einen Vorgeschmack davon, was die vollständige Erfüllung der Verheissungen an Abraham – die Herrschaft des Messias über Israel – sein könnte. Die Zeit der Regierung von David und Salomo war die beste Zeit, die das Volk Israel bislang erlebt hat. So können wir die erste Phase als eine Phase des Aufstiegs bezeichnen.

Leider beendete Salomo seine Regierungszeit sehr schlecht. Er liess sich von seinen vielen fremden Frauen verführen und wurde zum Götzendiener. Dadurch verführte er auch das Volk zum Götzendienst. Schon während seiner Regierung musste der HERR deshalb ein schweres Gericht ankündigen, das unter anderem die Teilung des Reiches beinhalten sollte. Das Nordreich kam direkt unter eine schlechte Herrschaft und erlebte, solange es bestand, nur schlechte, gottlose Könige. Im Südreich sah es leicht besser aus, aber auch da zeichnete sich ein deutlicher Niedergang ab. Im siebten Jahrhundert vor Christus wurde das Nordreich von Assur (Assyrien) in die Gefangenschaft geführt. Im Jahr 586 v.Chr. wurde auch das Südreich Juda vernichtend geschlagen; Jerusalem wurde komplett dem Erdboden gleich gemacht und das Volk wurde nach Babel weggeführt. Ein erster Tiefpunkt in der Geschichte war erreicht, weshalb man die zweite Phase als eine Phase des Niedergangs bezeichnen kann.

Mit der Wegführung der Juden nach Babel endete Gottes direkte Herrschaft auf dieser Erde. Hatte Er davon Seinen Thron in Israel gehabt und direkt über ein Volk dieser Erde regiert (vgl. etwa 1.Chron 29,23), lag die irdische Herrschaft von nun an in den Händen der heidnischen Völker. Damit begann jene Zeit, die unser Herr als die «Zeiten der Nationen» bezeichnete, die bis zu Seiner Rückkehr andauern werden (vgl. Lk 21,24). Das ist die Zeit, in der Israel verworfen ist und nicht einmal über sein eigenes Land regieren kann. Es ist die Zeit, in der dieses Volk genannt wird: Lo-Ammi – «Nicht-mein-Volk» (Hos 1,9). Die dritte Phase ist also die Phase der Verwerfung. Sie dauert nach wie vor an, hätte aber (rein theoretisch) enden können, wenn die Juden ihren Messias angenommen hätten. Deshalb stellt der Heilige Geist diese Phase in Mt 1,17 als gewissermassen durch die Geburt des Christus abgeschlossen vor.

Wir haben bereits gesehen, dass der HERR bestimmte Namen übergangen hat. Jede einzelne Auslassung hat ihren ganz bestimmten Grund, aber es gibt noch einen übergeordneten Grund, der zu einer Auslassung von mehreren Namen gezwungen hat: Der HERR wollte, dass jeder der drei beschriebenen Abschnitte genau 14 Generationen umfasst. Da muss also eine ganz besondere Bedeutung hinter den Zahlen stehen. Auf die Frage, welches diese Bedeutung sein könnte, kann es nur eine richtige Antwort geben. So ist es immer bei der Bibelauslegung: Es gibt eine richtige und viele falsche Auslegungen, niemals mehrere Auslegungen, die alle irgendwie richtig sein könnten. Nur fällt es uns manchmal schwer zu erkennen, welches denn die richtige Auslegung sein muss. Daher müssen wir unsere Ausführungen teilweise zurückkhaltend formulieren oder gar Mutmassungen anstellen. Es gibt also auf der einen Seite einen ganz bestimmten Grund für die Unterteilung des Stammbaums in 3 × 14 Namen, auf der anderen Seite sind wir uns aber nicht ganz sicher, welches dieser Grund ist respektive ob die nachfolgende Deutung ins Schwarze trifft. Mit solchen Unsicherheiten müssen wir teilweise leben. Das soll uns ermutigen, den HERRN vermehrt zu suchen und Ihn zu bitten, uns weitere Erkenntnis zu schenken, die ja doch nur von Ihm kommen kann.

Die Zahl 3 steht üblicherweise für ein vollkommenes Zeugnis: Zwei Zeugen sind hinreichend, drei Zeugen sind besser (vgl. 5.Mose 19,15). Die Zahl 14 ist das Produkt der Zahlen 2 und 7. Die Zahl 7 steht für etwas Abgeschlossenes. Im Hebräischen gibt es zum Beispiel kein Wort, das man direkt mit «Woche» übersetzen könnte. Eine Woche ist bei uns ganz klar ein Zeitabschnitt, der sieben Tage umfasst. Im Hebräischen sagt man «Schavua», was aber ganz wörtlich übersetzt nicht «Woche», sondern «Siebner» bedeutet. Von seiner Bedeutung her entspricht «Schavua» also eher einem Dutzend, nur mit sieben statt zwölf Teilen; es bezeichnet also einfach die Summe von sieben gleichwertigen Teilen, ob das nun Tage oder Jahre oder etwas ganz anderes sei. Die Zahl 2 spricht wiederum von einem Zeugnis, denn durch (mindestens) zwei Zeugen wird eine Sache bestätigt (vgl. 2.Kor 13,1). Man kann deshalb sagen, dass die 14 Generationen jedes Abschnittes in der Geschichte Israels für ein vollkommenes (sieben) Zeugnis (zwei) stehen: Der HERR hat in jedem der drei Abschnitte Seine Güte und Huld vollkommen unter Beweis gestellt; der Mensch hat in jedem der drei Abschnitte seine Verdorbenheit und Sünde vollkommen unter Beweis gestellt. Dreimal hat sich das wiederholt, damit es für alle Zeiten vollkommen bezeugt (drei) sei, wobei sich die drei Abschnitte wesentlich voneinander unterscheiden, sodass man sagen kann, das vollkommene Zeugnis gilt für die Zeit des Aufstiegs, für die Zeit des Niedergangs und für die Zeit der Verwerfung.

Vers 18

Mit dem Ursprung Jesu Christi verhielt es sich aber so: Als nämlich Maria, seine Mutter, dem Josef verlobt war, wurde sie, ehe sie zusammengekommen waren, schwanger befunden von dem Heiligen Geist. Mt 1,18

Der Heilige Geist ist immer, wenn Er uns die Person des Herrn Jesus Christus vorstellt, darauf bedacht, Seine Reinheit und Heiligkeit zu betonen, und zwar insbesondere dann, wenn es darum geht, uns den Herrn in Seiner Erniedrigung als Mensch oder als Sünd- und Sühnopfer vorzustellen. Die Geburt Jesu war rein menschlich betrachtet ein Skandal, denn Maria war zwar mit Joseph verlobt, aber sie waren noch nicht verheiratet – und trotzdem war sie plötzlich schwanger! Die Verlobung in Israel war ein weitaus stärkeres Band als sie es bei uns heute ist. Es gibt Stellen im alttestamentlichen Gesetz, die uns zeigen, dass eine Verlobung in den Augen Gottes ebenso heilig und unantastbar war wie eine Ehe (vgl. etwa 5.Mose 22,22ff.). Aber das bedeutete nicht, dass die Verlobten bereits Geschlechtsverkehr gehabt hätten! Nein, die Ehe musste zuerst geschlossen werden; die Verlobten mussten heiraten, dann war es ihnen gestattet, das Bett zu teilen. Das alles ist von Bedeutung in Bezug auf die Geburt Jesu Christi, denn wenn Joseph ein gerechter Mann war (Mt 1,19) und wenn er bloss mit Maria verlobt, aber nicht mit ihr verheiratet war, war sie noch unbefleckt, als sie Jesum vom Heiligen Geist empfing. Da bestand also nicht der Hauch einer Möglichkeit, dass nicht doch ein Same von Joseph biologisch eine Rolle gespielt hätte. Maria war eine Jungfrau und sie musste eine Jungfrau sein, wie wir bald noch sehen werden (vgl. Mt 1,22.23).

Vers 19

Josef aber, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht öffentlich blossstellen wollte, gedachte sie heimlich zu entlassen. Mt 1,19

Die Schwangerschaft von Maria war wie bereits erwähnt ein Skandal. Das zeigt uns übrigens, was der selbstverständliche biblische Standard von sexueller Moral ist: Sexualität ist etwas exklusiv für den Ehemann und die Ehefrau Reserviertes. Nicht einmal eine Verlobung, die damals in Israel ein deutlich stärkeres Band zwischen Mann und Frau knüpfte, als es heute bei uns der Fall ist, konnte als Rechtfertigung für vorehelichen bzw. ausserehelichen Geschlechtsverkehr herangezogen werden. Heute ist man ja gerne erfinderisch, indem man z.B. das blosse Zusammenleben von Mann und Frau in «wilder Ehe» (Konkubinat) oder auch nur den (momentanen) Willen, einander treu bleiben zu wollen, als ausreichende Grundlage für Geschlechtsverkehr «verkaufen» will. Besonders pfiffige Vögel zwitschern etwas davon, dass die Ehe heute ja von einem Standesbeamten geschlossen werde und folglich gar nichts mit Gott zu tun habe. Solche Menschen offenbaren damit nur, dass sie wesentliche biblische Grundprinzipien nicht verstanden haben und dass sie offensichtlich auch kein Interesse daran haben, ihr Verhalten am Willen Gottes auszurichten. Die aktuellen Strömungen in der Welt sind diesbezüglich allerdings auch nicht gerade hilfreich, denn wenn auch heute (im Jahr 2022) noch jedermann – zumindest mehr oder weniger – klar ist, was eine Ehe ist, so setzen gottlose Menschen alles daran, diese Klarheit zu trüben und Formen des Zusammenlebens als Ehe zu verkaufen, die keine Ehe sind. Die Geschichte zeigt, dass es leider möglich ist, ein Krokodil wider besseres Wissen so lange als Antilope zu bezeichnen, bis die Menschen glauben, dieses lange Ding mit den scharfen Zähnen und dem Schuppenpanzer sei wirklich eine Antilope. Heute haben wir aber noch die ausreichende Klarheit, um mit Bestimmtheit sagen zu können: Eine Ehe ist ein offiziell und förmlich zwischen einem Mann und einer Frau geschlossener Bund. Ein Paar, das keinen Trauschein vorweisen kann, lebt nicht in einer Ehe. Leider kommt es manchmal vor, dass Paare jahre- oder gar jahrzehntelang in einem eheähnlichen Verhältnis leben. Weder eine lange Zeitspanne noch der Wille der beiden Partner kann daraus eine Ehe machen; das Verhältnis ist keine Ehe. Kommt einer der Partner zum Glauben, soll er alles daran setzen, Nägel mit Köpfen zu machen und die Trauung «nachzuholen», damit für die Zukunft alles seine Ordnung hat. Gelingt das nicht und tritt sogar der schlimmste Fall ein, dass die Beziehung in die Brüche geht, stellt sich die Frage, ob und falls ja unter welchen Bedingungen der gläubige Teil nun frei ist zu heiraten. Viele Christen tendieren dazu, ohne zu überlegen und – schlimmer noch! – ohne den HERRN zu fragen, zu behaupten, in einem solchen Fall habe einfach ein länger andauernder Zustand von Unzucht vorgelegen, der nun beseitigt sei, sodass einer Ehe nichts im Wege stehe. Da stellt sich die Frage, ob man mit solchen Ansichten nicht einfach dafür sorgen will, dass sich jemand (zu) billig aus der Affäre ziehen kann. Ganz sicher wird man diese Frage in einem konkreten Einzelfall nicht beantworten können, bevor man sie lange genug vor dem HERRN bewegt hat.

Auch Joseph zog leider einen zwar verständlichen, aber doch voreiligen Schluss: Maria war schwanger, er konnte nicht der Vater sein, also musste sie ihn betrogen haben. Immerhin wollte er aus der Sache keinen grossen Skandal machen. Nach dem Gesetz Moses hätte er schlimmstenfalls dafür sorgen können, dass Maria hätte gesteinigt werden müssen. Er wollte Maria aber jede Form von Strafe ersparen und beschloss deshalb, sie heimlich zu entlassen. Das war eine grosse Barmherzigkeit, erwiesen in einer Situation äusserster Verletzung, denn jeder Mann kann sich in etwa vorstellen, wie Joseph sich gefühlt haben musste, als er erkannte, dass Maria (vermeintlich) mit einem anderen Mann geschlafen hatte! Das ist vielleicht etwas vom Schlimmsten, das einem Mann zustossen kann, aber Joseph liess sich nicht von Zorn oder verletzten Gefühlen leiten, sondern war darauf bedacht, Maria möglichst glimpflich davon kommen zu lassen. Ein grosses Vorbild für uns, dieser Joseph!

Vers 20

Während er dies aber überlegte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sprach: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen! Denn das in ihr Gezeugte ist von dem Heiligen Geist. Mt 1,20

Die Überlegungen, die Joseph bei sich anstellte, waren durchaus vernünftig, rücksichtsvoll und im Einklang damit, was Gott im Alten Testament geoffenbart hatte. Und doch hätte Joseph einen gewaltigen Fehler gemacht, wenn er diese Überlegungen in die Tat umgesetzt hätte. Nur: Wie hätte er in jener Situation wissen können, was richtig gewesen wäre? Weder die Logik noch die Moral konnten ihm die richtige Antwort weisen. Er benötigte eine Offenbarung von oben, ein direktes Sprechen des HERRN in seine Situation hinein. Da der Heilige Geist erst an Pfingsten auf die Erde kommen sollte, um in den Gläubigen Wohnung zu nehmen, musste der HERR auf eine «alttestamentliche» Weise zu Joseph sprechen, nämlich durch einen Engel im Traum.

Aber was für eine Botschaft überbrachte dieser Engel! «Das in ihr Gezeugte ist von dem Heiligen Geist» – hatte man so etwas schon je gehört, hätte man sich so etwas auch nur in seinen kühnsten Träumen vorstellen können? Nichts hätte Joseph zu dieser Schlussfolgerung führen können, wenn es ihm nicht gesagt worden wäre. Gott tut Dinge, die zu wunderbar und zu hoch für uns sind, Dinge, die wir nicht begreifen und nicht fassen können. Der Mensch, der meint, er könne mit seinem Verstand, mit Logik oder mit Philosophie etwas über Gott herausfinden, liegt falsch, denn wir können nichts über Gott wissen ausser dem, was Er uns von Sich offenbart. Durch die göttliche Offenbarung im Traum war Joseph bekannt, was niemand anders wusste: Der Heilige Geist hatte in Maria den Messias, den Sohn Gottes gezeugt. Endlich sollten sich die Verheissungen Gottes in den Heiligen Schriften erfüllen! O, wie wunderbar muss sich die Bestürzung Josephs in tiefste Glückseligkeit verwandelt haben! Die Situation hatte sich kein bisschen geändert, aber doch war nun alles komplett anders!

Bewegend ist, wie der Engel Joseph angesprochen hat: «Sohn Davids». Joseph, der arme Zimmermann aus dem verachteten Nazareth, hatte zwar nichts in der Welt, aber seine Abstammung war ohnesgleichen, einzigartig und unglaublich wichtig für den Ratschluss Gottes. Er musste ein Sohn Davids, ein Nachkomme aus der königlichen Linie sein, denn nur durch ihn konnte der Messias seine Herrschaftsansprüche auf den Thron Israels geltend machen. Die Welt sah in Joseph nichts als einen armen Zimmermann, Gott sah den Sohn Davids. Übrigens zeigt diese Stelle, dass der Ausdruck «Sohn» im jüdisch-hebräischen Kontext mit aller Selbstverständlichkeit nicht nur für den direkten Nachkommen eines Menschen verwendet worden ist, wie es in unserem Sprachgebrauch der Fall ist, sondern auch für alle weiteren Nachkommen, sofern sie in einer direkten Linie – über beliebig viele Generationen – vom besagten Menschen abstammen. Joseph war ein Sohn Davids, weil er seine Abstammung in einer direkten Linie auf David zurückführen konnte. Ein «Sohn» kann deshalb auch ein Enkel oder ein Urenkel sein. Mit diesem Wissen können verschiedene vermeintliche Widersprüche in der Bibel beseitigt werden.

Vers 21

Und sie wird einen Sohn gebären, und du sollst seinen Namen Jesus nennen, denn er wird sein Volk retten von seinen Sünden. Mt 1,21

Das Alte Testament enthält unzählige Titel des verheissenen Erlösers, wovon der bekannteste natürlich «Messias» – «Gesalbter» ist. Aber man sucht vergeblich nach dem Eigennamen des Erlösers. Für Gott wäre es eine kleine Sache gewesen, diesen Eigennamen im Voraus anzukündigen, wie Er es beispielsweise auch in Bezug auf den jüdischen König Josia oder den persischen König Kores (griechisch: Kyros) getan hat, die Er beide mehr als 100 Jahre vor der Geburt mit Namen angekündigt hat (vgl. 1.Kön 13,2; Jes 44,28). Doch dem HERRN hat es gefallen, den Namen des Erlösers erst ab dem Zeitpunkt der Zeugung zu offenbaren. Dieser Name war sorgfältig gewählt; der Engel hielt Joseph an, dem Kind genau diesen Namen zu geben, nämlich Jesus, eigentlich – hebräisch – Jehoshua (Kurzform: Joshua oder Jeshua). Hoshea bedeutet «Heil» oder «Rettung», dann aber auch «Retter». Das Alte Testament enthält ein Buch eines Propheten mit eben diesem Namen (Hosea). Der Eigenname Gottes, von dem wir heute nur noch die Konsonanten kennen, weil das hebräische Alphabet keine Vokale enthält, lautet J-H-V-H. In den Psalmen finden wir teilweise eine Kurzform dieses Namens, nämlich «Jah» (z.B. Ps 89,8). Diese Kurzform wurde teilweise als Vor- oder Nachsilbe an Namen angehängt. So bedeutet bspw. der Name «Jesaja»: «Jah hat gerettet». Wenn «Hoshea» also die Bedeutung von «Rettung» oder «Retter» hat, so bedeutet «Je-Hoshua» folglich «Jah ist Rettung» oder «Jah ist der Retter». Der Name kann damit als eine direkte Anspielung auf Jes 43,11 verstanden werden: «Ich, ich bin der HERR, und ausser mir gibt es keinen Retter».

Vers 22

Dies alles geschah aber, damit erfüllt wurde, was von dem Herrn geredet ist durch den Propheten, der spricht: Mt 1,22

Der Vers 22 in Mt 1 ist ein absolut typischer Vers für das Matthäus-Evangelium. Immer und immer wieder lässt der Heilige Geist durch Matthäus darauf hinweisen, dass sich die grossen alttestamentlichen Prophezeiungen und Verheissungen erfüllt haben in Ihm, von dem es in 2.Kor 1,20 heisst: «Denn so viele Verheissungen Gottes es gibt, in ihm ist das Ja, deshalb auch durch ihn das Amen, Gott zur Ehre durch uns». Allein die Kapitel 1 und 2 enthalten fünf ausdrückliche Verweise auf alttestamentliche Voraussagen. Diese ausdrücklichen Bezugnahmen ziehen sich weiter durch das ganze Buch. Daneben enthält das Matthäus-Evangelium aber auch zahlreiche weitere Verweise und Anspielungen, die klar machen, dass sich schon beim ersten Kommen des Herrn Jesus eine ganze Fülle von messianischen Prophezeiungen erfüllt hat. Gemeinhin wird gesagt, dass der Herr Jesus in Seinem kurzen Leben hier auf der Erde rund 300 Prophezeiungen über Seine Person erfüllt hat.

Viele Christen tun sich leider schwer mit dem Alten Testament. Sie machen eine Unterscheidung zwischen dem Alten und dem Neuen Testament und ich fürchte, nicht wenige haben den Eindruck, der Gott des Alten Testamentes sei irgendwie nicht genau so wie der Gott des Neuen Testamentes. Man sieht und hört leider oft, dass das Alte Testament, aber auch der Brief an die Hebräer, der so fürchterlich alttestamentlich klingt, und die Offenbarung, recht stiefmütterlich behandelt werden. Doch um welchen Segen bringen sich Menschen, die einen derart grossen Teil (rund 75 Prozent!) der Bibel so vernachlässigen! Ja, die Wahrheit ist, dass das Neue Testament gewissermassen haltlos im Raum schwebt, wenn man die zahlreichen Verknüpfungen zum Alten Testament ignoriert. Man hat in der Missionsarbeit festgestellt, dass das Evangelium mit sehr viel mehr Kraft auf die Herzen der Menschen wirkt, wenn man ihnen die ganze Geschichte, anfangend von der Schöpfung über das Schicksal des Volkes Israel bis hin auf den Messias erzählt – und nicht bloss den neutestamentlichen Teil. Meine persönliche Erfahrung ist, dass Christen, die eine völlig verquere Sicht auf die Lehre des Neuen Testamentes haben, das Alte Testament nicht kennen. Und kein Wunder! Ohne die Kenntnis des Alten Testamentes kann man das Neue Testament nie wirklich richtig verstehen! Die Bibel ist eine Einheit! Zerreisst man sie in zwei Stücke, beschädigt man beide Teile, das Alte und das Neue Testament.

Vers 23

»Siehe, die Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden seinen Namen Emmanuel nennen«, was übersetzt ist: Gott mit uns. Mt 1,23

O, wie haben sich gottlose Leute immer wieder über die Jungfrauengeburt lustig gemacht! Sich besonders klug dünkende Menschen machen sich einen Spass daraus, darauf hinzuweisen, dass das in Jes 7,14 verwendete Wort, das hier mit «Jungfrau» übersetzt wird (Mt 1,23 enthält ein wörtliches Zitat von Jes 7,14), eigentlich «junge Frau» bedeute. Der von uns sehr geschätzte Hebräisch-Experte und Bibellehrer Roger Liebi könnte diesen Menschen einen mehr als eine Stunde dauernden Vortrag halten, in dem er dieses Scheinargument nicht nur mit einem, sondern gleich mit mehreren überzeugenden Argumenten der Lächerlichkeit preisgeben könnte. Aber Gott sei Lob und Dank! Niemand muss ein Hebräisch-Experte sein, um die Bibel richtig verstehen zu können. Die Erkenntnis kommt nicht aus dem Verstand und auch nicht von vielem Studieren, sondern sie wird vom Heiligen Geist verliehen. Die hier in Mt 1,23 zitierte Stelle im Buch des Propheten Jesaja ist nämlich eingebettet in eine kurze Geschichte: Ein gottloser König über Juda erhielt die göttliche Zusicherung, dass Juda vor einem bevorstehenden Angriff der Feinde bewahrt bleiben würde. Der König sollte ein Zeichen von Gott fordern, als Bestätigung für diese Zusage, aber er weigerte sich. Da gab Gott nicht nur jenem König, sondern dem ganzen Haus Davids (vgl. Jes 7,13) ein Zeichen: Die Jungfrau sollte schwanger werden und einen Sohn gebären, dessen Namen man Immanuel nennen werde. Nähmen wir einmal an, die Kritiker hätten Recht und man müsste übersetzen, dass die junge Frau schwanger werden und einen Sohn gebären sollte. Was wäre das denn bitteschön für ein göttliches Zeichen? Das wäre ja das Normalste der Welt! Ja, seit den Tagen jenes Königs hat sich dieses «Zeichen» schon milliardenfach wiederholt! Und dann wollen wir einmal kurz über ein anderes Zeichen als Bestätigung für eine göttliche Verheissung nachdenken, das im selben Buch – jenem des Propheten Jesaja – erwähnt wird: Der gute König Hiskija war todkrank, erhielt aber die Zusage, dass er wieder genesen werde. Als Bestätigung für diese Zusage liess der HERR den Schatten («Zeiger») der Sonnenuhr zehn Stufen rückwärts gehen (Jes 38,8), was bedeutet, dass der HERR die Erddrehung gestoppt hat, dass Er die Erde kurz in die Gegenrichtung gedreht hat, dass Er diese Drehung wieder gestoppt hat und dass Er die Erde dann wieder so angestossen hat, dass sie sich wie gewohnt weiter gedreht hat! Das war ein göttliches Zeichen! Völlig aussergewöhnlich, menschlich gesehen unmöglich, für den HERRN kein Problem! Genauso unmöglich erscheint uns die Sache mit der Jungfrauengeburt. Aber wäre das nichts völlig Aussergewöhnliches, wie könnte es dann ein göttliches Zeichen sein?

Vers 24

Josef aber, vom Schlaf erwacht, tat, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich; Mt 1,24

Infolge der göttlichen Offenbarung wusste Joseph nun ganz genau, was zu tun war. Die grosse Frage lautete nun: Würde er nach dem Befehl des HERRN handeln? Es ist eine Sache, den Willen des HERRN zu kennen, aber es ist eine andere Sache, nach diesem Willen zu handeln. Jemand hat einmal gesagt, dass es im Grunde nur zwei Gruppen von Menschen gibt, nämlich einerseits jene, die sagen: «Mein Wille geschehe!», und andererseits jene, die sagen: «Dein Wille geschehe!». Wir sollen nicht allein Hörer des Wortes sein, die sich selbst betrügen, sondern Täter des Wortes (Jak 1,22).

Vielleicht denkt sich nun jemand, das sei ja keine grosse Sache für Joseph gewesen, einfach jene Frau zu heiraten, die er sowieso heiraten wollte, zumal er die Offenbarung erhalten hatte, dass das gezeugte Kind der lang ersehnte Messias war. Aber ganz so einfach war es wohl doch nicht, denn die Leute waren ja nicht blind. Sie erkannten, dass Maria schwanger war, und sie konnten sich ausrechnen, dass die Empfängnis (lange) vor der Hochzeit geschehen sein musste. Heute mag es bei uns vielleicht üblich sein, dass eine schwangere Frau im weissen Kleid heiratet. Die Menschen mögen schmunzeln und sich sagen, dass die Brautleute halt einfach nicht hätten warten können, was man ja verstehe. Aber damals war so etwas eine grosse Schande. In einer hitzigen Diskussion mit dem Herrn Jesus haben die führenden Juden Ihm einmal gesagt: «Wir sind nicht durch Hurerei geboren» (Joh 8,41). Das dürfte ein fieser Seitenhieb auf Seine Herkunft und damit der Beweis dafür gewesen sein, dass sich die Kunde von der schandhaften Zeugung und Geburt Jesu in Israel verbreitet hatte. Joseph zahlte also einen hohen Preis, als er dem Wort Gottes Folge leistete. Können wir von uns sagen, dass wir dieselbe Bereitschaft an den Tag legen werden, wenn der HERR es von uns fordert?

Vers 25

und er erkannte sie nicht, bis sie einen Sohn geboren hatte; und er nannte seinen Namen Jesus. Mt 1,25

Joseph gehorchte Gott in allen Punkten, denn er nahm Maria zur Frau und er nannte den Namen des Kindes Jesus, wie ihm geheissen worden war. Aber er ging noch weiter, denn obwohl der HERR diesbezüglich kein ausdrückliches Gebot gegeben hatte, musste Joseph wohl etwas von der Heiligkeit dessen fühlen, was da gerade vor seinen Augen geschah. Obschon er offenbar Maria noch während der Schwangerschaft geheiratet hatte, vollzogen sie die Ehe nicht, bis Jesus geboren war. Das ist ein schönes Detail, das der Heilige Geist hier erwähnt, denn es zeigt die Haltung, die eigentlich jeder Gläubige haben sollte. Viele Christen fragen, ob dies oder das erlaubt sei. Sie wollen gerne etwas die Grenzen ausloten und möglichst alles auskosten, was (gerade noch so) erlaubt ist. Aber diese Haltung ist verkehrt, denn sie ist nicht von einer vertrauensvollen und innigen Beziehung zum Vater in den Himmeln geprägt, sondern degradiert Ihn zu einem Gesetzgeber und Regenten. Unsere Beziehung zu Gott sollte davon geprägt sein, dass wir Ihm in allen Dingen gefallen wollen, dass es uns ein Anliegen ist, Sein Herz zu erfreuen. Es soll nicht so sein, dass Er uns jeden einzelnen Schritt vorgeben muss, sondern wir sollten von selbst darum bemüht sein, in jeder Situation möglichst so zu handeln, wie es Ihm gefällt.

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